Schneidbretter - eine Spurensuche!

Ich wurde nach Schneidbrettern im 13. Jahrhundert gefragt. Gute Frage!

Meine Ergebnisse für die Zeit zwischen 1200 und 1500 (spätes HoMi und SpäMi) mit Schwerpunkt: nördlich der Alpen

Funde: 

In "Stadtarchäologe in Freiberg - Holzfunde" ist zu Schneidbrettern Zitat: >> ... sind als Küchen und Tischgerät anzusprechen, auf denen feste Nahrungsmittel zerlegt wurden. Sie entsprechen damit etwa unseren heutigen flachen Teller ... 1) << aufgeführt. Sie sind massiv, sorgfältig gedrechselt, wulstkantig oder mit Fahne, teilweise sehr dünn und mit wenig Schnittspuren.

Ulrich Müller in "Holzfunde aus Freiburg und Konstanz spricht diese Formen Brettchen als Flachformen an und schreib t bei einem Brett >> ... zumal durch die dünne Brettstärke und den kolbenförmigen Rand eine Funktion als Schneidebrett durch die entstehende Belastung wenig wahrscheinlich ist. 2) <<.

Auch bei Vergleichsfunden sprechen die Autoren von „Brettchen“.

In den Fundkomplexen Schleswig und London sind keine Schneidbretter genannt. 3)
In Haitabu (der Vollständigkeit halber - für den Betrachtungszeitraum zu früh) gibt es Bretter ohne Schnittspuren 4) (ggfs. Vorlegebretter oder Waschbretter).
In Bad Windsheim gibt es ein rundes Brett mit einem Durchmesser von ca. 25 cm. 5)

Demnach muss bei Brettern/Tellern unterschieden werden, ob sie am Tisch oder in der Küche verwendet werden.

 

Textquellen:

In Kochbüchern wird geschnitten, aber nicht gesagt wo. In Rezepten wird mit nicht näher beschriebenen Brettern beschwert oder zwischen Bretter gelegt.

In Inventaren werden Bretter im Kontext Küchen 6) genannt, die dann aber wieder oft in Verbindung mit Brot stehen.

Im Gedicht vom Hausrat 7) werden ein braed erwähnt, dabei handelt es sich aber um einen Pfannenwender, weiter aber auch ein Hackbrett, eine Hackbank und ein Brettschaber (vermutlich zum Reinigen) und in John de Garlandes Dictionary 8) werden Platten und runde Holzteller gespült, keine Bretter.

Wenn in höfischer Literatur von Brettern gesprochen wird, dann wird von Tischgeschirr ausgegangen. 9) In Tischzuchten sind keine Bretter genannt. 10)

Die Sekundärliteratur zur Mittelalterlichen Küche (Stand meiner Recherche) bearbeitet diesen Punkt nicht.

Über den Umweg Hackbrett, Hack- oder Schneidbank gibt es deutlich mehr Hinweise. Diese werden im Zusammenhang mit dem Zerkleinern von (hauptsächlich) Fleisch, Fisch oder auch allgemein Lebensmitteln in diversen Textdokumenten genannt. 11)


Abbildungen:

Ich habe Abbildungen von Essbrettern/-tellern (rund oder auch eckig) und Vorlegebrettern/-tellern gefunden, von Bäckerbrettern (teilweise mit einem Anschlag sind hinten einen Anschlag), Spielbretter, Waschbrettern und Bretter im Handwerk gefunden. 12)

Ich habe eine Bildersammlung in Pinterest erstellt. Diese ist hier zu finden: (Link)

Küchen(arbeits/schneide)bretter habe ich nicht gefunden. Erst auf Abbildungen sehr viel später.

Auf den Abbildungen wird auf dem Tisch gearbeitet oder auf einer Hackbank gehackt/zerlegt/geschnitten. Besonders erwähnen möchte ich (auch wenn das Werk aus Italien stammt und von 1570 ist) die sehr detaillierten Abbildungen von Küchen und des Inventars im Buch von Bartolome Scappi. 13)


Überlegungen und Fazit:

Es könnte sein, dass es sich hier um ein „IstdochselbstverständlichThema“ handelt und die Schneidbretter im Fundgut (noch) nicht vorhanden waren/als solche erkannt wurden oder mir nicht bekannt sind, dass sie in der Literatur nicht erwähnt werden und sie auf Abbildungen nicht dargestellt sind.

Es könnte aber auch sein (auf Basis von dem, was ich auf bisher gefunden und ausgeführt habe), dass es gar keine Schneidbretter gab, so wie wir sie heute kennen. Ein Schneidbrett benötigt eine gewisse Größe, um (auch das Verhältnis Messergröße und Brettgröße) vernünftig arbeiten zu können.

Ob dieses Rechercheergebnis repräsentativ ist, auf andere Betrachtungszeiträume und Regionen übertragbar ist und was es für die Umsetzung im Hobby bedeutet, ist Interpretationssache.

                               

Ich verwende (bisher – da ich es nun ernsthaft für mich hinterfrage) im Hobby ein 4-eckiges Brett aus Vollholz.

 

                                

Quellenverzeichnis:

1) Arnd Gühne, Stadtarchäologie in Freiberg / Holzfunde
2) Ulrich Müller, Holzfunde aus Freiburg/Augustinereremitenkloster und Konstanz Herstellung und Funktion einer Materialgruppe aus dem späten Mittelalter
3)
Volker Vogel, Holzfunde aus dem mittelalterlichen Schleswig und Geoff Egan The Medieval Household - Daily Living c.1150-c.1450 (Medieval Finds from Excavations in London, Band 6
4) Florian Westphal, Holzfunde von Haithabu (Die Ausgrabungen in Haithabu)
5) Hermann Heidrich und Andrea K. Thurnwald, Spuren des Alltags, Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums des Bezirks Mittelfranken, Bd. 26.
6) Gedichte vom Hausrat des 15 und 16. Jahrhunderts, Faksimiledruck, Germanisches Nationalmuseum und Matthias Lexer, Endres Tuchers Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg, 1464 - 1475
7) Das ist das Hausratsgedicht von Hans Folz, Nürnberg 1490
8) Barbara Blatt Rubin, The dictionauris of John de Garlande, The Coronade Press
9)+ 11) vgl. https://woerterbuchnetz.de
10) Voigt, Christiane Forschungen zu den selbständigen deutschsprachigen Tischzuchten des Mittelalters und der frühen Neuzeit
12) https://www.imareal.sbg.ac.at/ und Pinterest
13 The Opera of Bartolomeo Scappi (1570): L'arte et prudenza d'un maestro cuoco (The Art and Craft of a Master Cook) (Lorenzo Da Ponte Italian Library)

Bild: DeTimmermansche