"Wenn ich dich und die Löffel nicht hät', müßte ich die ganz Supp' trinken ...."
Hat meine Oma gesagt ...
Mittelalterliche und frühneuzeitliche Löffelfunde in Deutschland - Löffel und deren Herstellung -
Aufsatz von Andy Betz
(mit freundlicher Erlaubnis zur Veröffentlichung durch DeTimmermansche)
Das ursprünglichste Esswerkzeug des Menschen
sind von jeher die Finger und die hohle Hand gewesen. Nachdem der frühzeitliche
Mensch allerdings gelernt hatte Feuer zu machen, und Dieses zum Kochen zu
nutzen, waren fortan Gebrauchsgegenstände nötig, um sich beim Zuführen der Nahrung
zum Mund nicht die Finger zu verbrennen. Hierzu wurden Muscheln, leere
Schneckenhäuser, oder konkav geformte Rindenstücke verwendet. Als der Mensch
dann eigene Essgefäße herstellen konnte begann er auch damit geeignete
Essgeräte herzustellen. Der Löffel ist das älteste jener selbst hergestellten
Essgeräte, und von der Form einer schöpfenden Hand nachgebildet.
Es gibt Belege von Schöpflöffeln aus Knochen und Stein aus der europäischen
Jungsteinzeit. In der Ägyptischen Hochkultur um 5.000 v. Chr. kamen Löffel aus
Holz und Stein, vereinzelt sogar aus Elfenbein zum Einsatz, während in der
Bronzezeit einfach geformte Tonlöffel Verwendung fanden. In den Pfahlbauten der
Schweizer- und Österreichischen Seen fand man Holzlöffelreste, die um 2.500 v.
Chr. zum Einsatz gekommen sind.
Die Bedeutung des Wortes "Löffel"
Das Wort „Löffel“ stammt ursprünglich
wahrscheinlich aus dem Lateinischen, und wurde im Laufe der Zeit dann immer
weiter abgewandelt. Im Althoch- deutschen sprach man von „Laffan“, im
Mittelhochdeutschen von „Laffen“. Dies bedeutet so viel wie Schlürfen oder
Lecken, während „Laffan“ auch für Lippe oder Löffelschale steht. Das Wort
„Laffe“ hat sich im Übrigen bis heute erhalten. Man spricht davon, wenn man die
Löffelschale meint, also den Teil, welcher an den Stiel angrenzt, und zum
Aufnehmen der Nahrung gedacht ist.
Der Löffel im Mittelalter – Löffelfunde
Bei nahezu jeder größeren Stadtkerngrabung
wurden Holzlöffel, oder zumindest Bruchstücke davon zu Tage gefördert [1]. Anders als beispielsweise Glas oder Keramik
erhalten sich Holzgegenstände im Boden jedoch deutlich schlechter, wodurch der
Anteil dieser erhaltenen Gebrauchsgegenstände insgesamt eher gering ausfällt.
Trotzdem haben sich im passendem Bodenmilieu, z.B. in verfüllten Abortgruben
einige Löffel zum Teil hervorragend erhalten. Genaueres hierzu finden Sie in
meinem Aufsatz „Mittelalterliche
und frühneuzeitliche Löffelfunde in Deutschland - die verwendeten Holzarten“
Die Formgebung und Größe von Löffeln änderten sich im Laufe
der Geschichte unzählige Male, und auch im Mittelalter entwickelten sich die
unter- schiedlichsten Formen. Der Löffel des 13ten Jahrhunderts hatte
beispielsweise meist einen langen Stiel, und ein eher ovaler Laffe. Im 14ten
Jahrhundert sind die Stiele etwas kürzer, die Laffe eher rundlicher. Im 15ten
Jahrhundert hat sich die Form dann komplett geändert: Die Stiele waren nun sehr
kurz und kräftig, die Laffe oval oder rund aber deutlich größer als in den
vorangegangenen Jahrhunderten [2]. Der Großteil der erhaltenen Holzlöffel des
13.-15. Jahrhunderts war meist schlicht, und besaß eher selten aufwendige
Verzierungen (jedoch weisen einige der erhaltenen Löffel Kerben an der
Unterseite auf - wohl als Besitzermarke). Bereits die schlichte unaufdringliche
Formgebung, die warme Farbe und der Faserverlauf des Holzes verlieh den Löffeln
ein ansprechendes Äußeres. Jedoch gab es auch Ausnahmen. Als Beispiele seien
hier ein Löffel aus Schleswig an der Wende zum 13. Jahrhundert, und ein Löffel
aus Bad Windsheim um 1500 genannt. Bei Ersterem handelt es sich um einen
Löffel, welcher deutlich erkennbar einem Drachen nachempfunden wurde. Der im
Mittelteil gebauchte Stiel besitzt eine Schraffur, welche Schuppen darstellen
soll, angewinkelte Vorderbeine mit runden Pfoten, und eine Halspartie, welche
in einem Kopf mit geöffnetem Maul mündet, aus dem die (nicht mehr erhaltene
Laffe) entspringt [3]. Der
Windsheimer Löffel ist vollständig erhalten, und fällt durch ein aufwendiges
plastisches Flechtband auf, welches den gesamten 4,4cm langen Stiel verziert.
Der Löffel ist im Museum Kirche in
Franken in Bad Windsheim ausgestellt [4].
Neben diesen zum Essen verwendeten Löffeln begegnen uns im Fundgut aber immer
wieder auch deutlich größere Löffel, Schaber, Spatel, und Quirle, welche wie
heute wohl zum Umrühren, Vermengen und Abschöpfen der Speisen gedient haben.
Die Herstellung des Löffels
Die Frage wer denn „im Mittelalter“ Löffel schnitzte ist meiner Meinung nach nicht pauschal zu beantworten. Einfache Holzlöffel, Spatel und Quirle sind nicht sonderlich schwer herzustellen, so daß sich etwa die einfache Landbevölkerung dieses Eß- und Küchenwerkzeug sicherlich vielerorts selbst angefertigt hat. Die Autoren zahlreicher Publikationen über Holzfunde gehen aber davon aus, daß die bei Stadtgrabungen gefundenen sauber gearbeitet, fein geschnitzt, und oftmals sorgfältig geglätteten Holzlöffel von spezialisierten Handwerkern angefertigt wurden. Hier finden sich insbesondere die Begriffe „Löffelschneider, Löffler, und Löffelmacher“.
In Jihlava (deutsch: Iglau, Tschechien) sind „Löffler“ für das 13./14. Jahrhundert historisch bezeugt [5]. Zwischen 1707 und 1750 sind für die ehemalige Hansestadt Einbeck im Bereich Holzhandwerk neben Tischlern, Drechslern, Bildschnitzern, Böttchern, Rad- und Pflugmachern, Büchsenschäftlern und Leistenschneidern auch Löffelschneider schriftlich belegt, welche zusammen in Gilden organsiert sind [6], und auch in Frankfurt wird ein„Gewerbe der Löffelschneider“ erwähnt [7]. Auch in der Heraldik ist das Berufswappen der Löffelschneider überliefert. So führten die Löffelschneider in Nürnberg 1563 zwei schräggekreuzte, geschnitzte Holzlöffel im Wappen [8].
Die Bedeutung des Löffels
Dem Löffel kam im Mittelalter eine andere Bedeutung zu als heutzutage. Allein schon, weil man ihn anders als heute bei sich trug, und als Essbesteck zu Tisch mitbrachte. Dieses Besteck bestand aus Löffel und Messer, da die Gabel damals noch nicht gebräuchlich war (vielerorts war der Löffel sogar bis ins 19. Jahrhundert hinein neben dem Messer das einzige Esswerkzeug). Das Gebrauchsmesser wurde in einer Lederscheide sichtbar am Gürtel hängend getragen, und auch für Löffel gab es mit schönen Punzierungen versehene Futterale, die am Gürtel befestigt wurden. Anhand spätmittelalterlicher Gemälde ist überliefert, daß man sich den Löffel mitunter auch an den Hut steckte.
Das einfache Volk besaß schlichte Holzlöffel, während besser gestellte Bürger und der Adel von aufwendig verzierten Holzlöffeln, Holzlöffeln mit verziertem Stielendstück aus Zinn, Löffeln komplett aus Zinn, oder gar von Silberlöffeln speisten. Kostbare verzierte, und teilweise mit Inschriften versehene Löffel waren kostbare Besitzgegenstände sowie Familienerbstücke. Hiervon kündet noch heute das Sprichwort „den Löffel abgeben“, da der Verstorbene den Löffel „abgab“, also weitervererbte. Wer dagegen „mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurde“ bekam den Wohlstand schon mit in die Wiege gelegt, da er beispielsweise in eine wohlhabende Adelsfamilie hineingeboren wurde.
Vom Holz- zum Metalllöffel
Ab dem 15. Jahrhundert entstand das Gewerbe der „Löffelmacherei“ als Zweig der Metallverarbeitung in der Nähe von Eisenerzförderung und -verhüttung, da mittlerweile auch Metalllöffel recht günstig hergestellt werden konnten. Die Blütezeit hatte die Löffelmacherei aber erst im 17. und 18. Jahrhundert. Anfangs wurden Löffel roh aus einem Stück geschmiedet, und anschließend mit der Feile bearbeitet. Ab dem frühen 18. Jahrhundert begann man die Rohlinge aus dem Blech zu schneiden, und kalt zu verformen. Die Herstellungsprozesse wurden vereinfacht, die einzelnen Schritte von Fachkräften durchgeführt. Nach dem Plattenschmied arbeitete der Schwarzarbeiter die endgültige Form heraus. Abschließend wurde der Löffel verzinnt. Mit der zunehmenden Industrialisierung stieg die Produktion immer weiter an. So gründete beispielsweise Gottfried Heinrich Friedrich um 1789 im Erzgebirge die erste große Löffelfabrik. Im Jahr 1820 wurden bereits 6.000 Löffel pro Woche hergestellt – mit steigender Tendenz. [9] Handgefertigte Holzlöffel waren längst zu einem Nischenprodukt geworden.
Quellen
[1]
Stadtgrabungen in Freiburg, Konstanz, Bad Windsheim, Schleswig, Freiberg,
Dresden, usw.
[2] Ein gutes Beispiel hierfür sind die Löffel aus
Bad Windsheim um 1500.
[3] Ausgrabungen in Schleswig, Berichte und
Studien 17, S. 205, Abb. 2, Nr.10
[4] Walter Janssen, Der Windsheimer Spitalfund aus
der Zeit um 1500, Tafel 28, Nr. 12 und Museum
Kirche in Franken
[5] B. Novotný, 1982, Funde mittelalterlicher
handwerklicher Erzeugnisse aus Iglau (Mähren): Von der 2. Hälfte des 13. bis
zum Beginn des 15. Jahrhunderts
[6] A. Heege, Einbeck im Mittelalter. Eine
archäologisch-historische Spurensuche, Studien zur Einbecker Geschichte 17,
Oldenburg 2002
[7] Ernst Walther Huth, die Entstehung und
Entwicklung der Stadt Frankfurt (Oder) und ihr Kulturbild vom 13. bis zum
frühen 17. Jahrhundert auf Grund archäologischer Befunde, 1975
[8] A. Gustaf, E. Gritzner, Berufswappen – die
Siegel der deutschen Universitäten, Bauer & Raspe, 1976
[9] Erzgebirge.de, eine Internetseite über die
Tourismusregion Erzgebirge
[10] Ich verwende hierfür Winterschachtelhalm
dessen hoher Anteil an Kieselsäure einem modernen Schleifpapier mit 240er Körnung
entspricht.
Autor
A.
Betz
2.
überarbeitete Version im Mai 2012
Foto:
DeTimmermansche